Ein Jahr Swissness

Am 1. Januar 2017 trat die neue Swissness-Verordnung zur Verwendung der Bezeichnung «Schweiz» auf Waren, Dienstleistungen und Lebensmitteln in Kraft. Letztere müssen seither strengere Richtlinien erfüllen, um die Bezeichnung oder das Schweizerkreuz tragen zu dürfen. 80 % des Gewichts der verwendeten Rohstoffe müssen aus der Schweiz kommen. Dieser Anteil soll aus der verwendeten Jahresmenge eines Produkts berechnet werden. Ausserdem soll der Hauptverarbeitungsschritt in der Schweiz geschehen.
Seit der Einführung dieser Verordnung sind zwölf Monate vergangen – Zeit für einen Rückblick.
Die Schweiz – Ein starkes Verkaufsargument?
Kaum ein Land geniesst international einen so guten Ruf wie die Schweiz. Das weisse Kreuz auf rotem Hintergrund ist gemeinhin ein Symbol für gute Qualität. Und auch im Inland ist «Hergestellt in der Schweiz» ein schlagkräftiges Verkaufsargument. Gemäss Umfragen achten zwei Drittel der Schweizer Konsumenten beim Kauf von Lebensmitteln auf Regionalität (1). Ein Drittel der Schweizer Marken werben daher auch mit der Bezeichnung Schweiz (4). Die Regionalität ist damit wichtiger als andere Marken oder beispielsweise die Bezeichnung «Bio». Der Bund schätzt den Wert der Marke Schweiz insgesamt auf 5.8 Mia. Franken. Andere Studien gehen von einem noch höheren Wert aus (1). Dennoch stellt sich die Frage, ob sich der Aufwand lohnt. Ist das Schweizerkreuz hierzulande wirklich kaufentscheidend? Es gäbe schliesslich noch andere Möglichkeiten, einen Bezug zur Region herzustellen. Regionalprodukte profitieren aber kaum von der Swissness. Ihr Herstellungsort ist ohnehin genauer definiert und der administrative Aufwand zur Deklaration kleiner Mengen lohnt sich meist nicht. Zudem scheint Regionalität vor allem bei Frischprodukten wichtig zu sein. Verarbeitete Lebensmittel stellen für die Konsumenten einen weniger starken Bezug zum Produktionsort her (1).
Gründe für die Neuerung
Trotz hohem Ansehen der Marke Schweiz gibt es unter den Konsumenten eine gewisse Verunsicherung. Was heisst «Made in Switzerland?». Wie viel Schweiz steckt in einem so bezeichneten Produkt wirklich drin? Darüber soll die neue Verordnung Klarheit schaffen und die Produkte strengeren Kontrollen unterziehen. Das Risiko der Verwässerung der Marke soll somit reduziert und diese vor Trittbrettfahrern und Fälschungen besser geschützt werden.
Der Markt reagiert
Die neue Regelung verlangt einiges von den Produzenten. Wer die Bezeichnung «Schweiz» auf der Verpackung abbilden will, muss die Zusammensetzung der verkauften Waren auf Produktebene ausweisen können. Bei Nestlé mussten z. Bsp. rund 650 Produkte einer neuen Prüfung unterzogen werden (2). Nur wenige verloren als Folge darauf das Schweizerkreuz. So ist dieses nicht mehr auf der Tube der Thomy Mayonnaise zu finden. Der Schweizer Eiermarkt ist für deren Herstellung schlicht zu klein. Auch der Leisi-Teig, obwohl laut Hersteller zu 90 % aus Schweizer Mehl bestehend, konnte aus Komplexitätsgründen der Rückverfolgbarkeit nicht ausreichend deklariert werden (3).
Meist genügten aber kleine Anpassungen der Rezeptur oder der verwendeten Zutaten, um die Forderungen zu erfüllen. So wechselte die Firma Wernli bei einigen Produkten auf Schweizer Zucker. Dieser relativ grosse Aufwand lohnt sich aber für das Unternehmen, deren Schweizer Herkunft sehr wichtig ist (3).
Suisse Garantie verlangte von Produzenten bereits vor der neuen Swissness-Regelung höhere Standards. Von der Rückendeckung durch besseren Schutz vor Fälschungen dürfte aber auch diese Marke profitieren.
Fazit nach zwölf Monaten
Die von Kritikern befürchtete Abwanderung aus der Schweiz blieb bisher aus. Die Lebensmittelproduzenten sind bemüht, den neuen Gesetzesanforderungen nachzukommen, um auch in Zukunft von der Marke Schweiz profitieren zu können. Eine langfristige Entwicklung lässt sich aber noch nicht abschätzen. Der Wunsch nach einer Vereinfachung der Deklaration zeigt trotz allem einen gewissen Unmut vieler Produzenten(2).
Allgemein kann aber ein Trend vermehrter Investitionen und Modernisierung der Produktionsverfahren festgestellt werden. Innovative Technologien können den Produzenten helfen, ihre Produktion entsprechend den neuen Richtlinien anzupassen. Genau darin liegt wohl die Chance für die Zukunft des Schweizer Lebensmittelmarkts.
International gestaltet sich der Wettstreit aber zunehmend härter. 2016 lag die Bewertung des Gesamteindrucks von Schweizer Produkten und Dienstleistungen in einer Umfrage erstmals knapp hinter jener Deutschlands zurück (5). Ob die Schweiz mit «Swissness» ihre Absatzchancen langfristig und international ausbauen oder zumindest halten kann, wird sich wohl abschliessend erst in einigen Jahren beantworten lassen. Was aber schon heute klar ist, ist die Tatsache dass unsere lokale Wertschöpfung auf jegliche Art der Innovation und Absatzhelfer auch zukünftig stark angewiesen ist.
Quellen:
- Referat von Stephan Feige, htp St.Gallen
- Referat Matthias Bergundtal, Nestlé AG
- Online-Artikel, Solothurner Zeitung: Wie wirken sich schärfere Swissness-Regeln auf Solothurner Produzenten aus
- Studie «Swissness Worldwide 2016»: Die Schweiz im harten Wettbewerb. Feige et al.